Entwicklung eines interaktiven Fragebogens zur Verbesserung von Kinderschutzmaßnahmen im Sport
Zusammenfassung
Laureus Sport for Good und CorrelAid haben einen Test zur Feststellung des Niveaus des Kinderschutzes in (z. B. Sport-) Organisationen entwickelt, den es bislang lediglich in statischer PDF-Form gab. Im Rahmen dieses Projekts wurde der Test als Web App veröffentlicht, die die jeweiligen Ergebnisse für jede Organisation visuell schnell greifbar aufbereitet, dazu passende Empfehlungen für Kinderschutzmaßnahmen liefert und es Laureus erlaubt, die Daten zu speichern und auszuwerten. Die App ist in vier Sprachen (Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch) verfügbar.
Die Challenge
Laureus Sport For Good Germany
Laureus Sport for Good unterstützt weltweit mehr als 250 Organisationen in über 50 Ländern, die Sport und Bewegung dafür einsetzen, um Gewalt, Diskriminierung und Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen. Laureus Sport for Good Germany wurde 2001 als erste nationale Laureus Stiftung gegründet und nutzt die Kraft des Sports mit dem Ziel, benachteiligte Kinder und Jugendliche in Deutschland und Österreich in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen und dadurch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Seit 2009 gehört auch Österreich zum Aktionsbereich der Stiftung. Bisher leisteten die deutschen und österreichischen Laureus Förderprogramme für mehr als 50.000 Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten Hilfe, Beratung und Förderung. Laureus Sport for Good hat sich mit der Unterzeichnung der Internationalen Schutzmaßnahmen für Kinder im Sport dazu verpflichtet, diese einzuhalten, zu fördern und zu schützen.
Es gibt in Bezug auf Kinderschutzmaßnahmen im Sport-Sektor in Deutschland und Österreich, aber auch international, erhebliche Mängel, viel fehlendes Wissen und viel fehlenden Willen, um wirksame Konzepte einzuführen und umzusetzen. Laureus Sport for Good ist Unterzeichnerin und Teil der Initiative Safe in Sport, die sich für stärkere Schutzkonzepte im Sport weltweit einsetzt, Leitfäden und Empfehlungen anbietet und bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten unterstützt.
Ein bisher bestehender Selbsttest in Form eines PDF-Dokuments, in dem manuell Punkte zusammengezählt und nach den Ergebnissen gesucht werden musste, war nicht nutzer*innen-freundlich und wurde als Folge wenig zur Überprüfung und Weiterentwicklung von Kinderschutz-Maßnahmen verwendet.
Da das PDF manuell von den Organisationen offline ausgefüllt und ausgewertet wurde, gab es keinerlei Möglichkeit, basierend auf den Ergebnissen, die Organisation gezielt zu unterstützen. Außerdem war es auf Grund mangelnder Daten nicht möglich, Analysen durchzuführen, die zum Beispiel Unterschiede zwischen Organisationsformen oder Ländern aufzeigen konnten.
Diese Erkenntnisse sind aber auf zweierlei Ebene wichtig: Zum einen für die Organisation selbst, um eine einfache und schnelle Einschätzung der Stärke ihrer bestehenden Prozesse und Konzepte zu erhalten und direkt Empfehlungen für die Verbesserung zu erhalten. Zum anderen für Laureus, um Angebote zu entwickeln, um die Organisationen in dem Bereich weiter zu unterstützen, und das Thema Prävention von (sexueller) Gewalt/Kinderschutz weiter in die Öffentlichkeit tragen und die Lücken aufzuzeigen.
Die Datengrundlage
Bei den zu erfassenden Daten des Tests in PDF-Form handelt es sich um eine Selbstauskunft einer Organisation zu verschiedenen Fragen des Kinderschutzes in dieser Organisation. Diese Fragen sind in acht Frageblöcke zu jeweils acht verschiedenen Bereichen an Schutzmaßnahmen aufgeteilt. Die pro Frage abgefragten Teilaspekte der Schutzmaßnahmen sind jeweils mit “noch nicht erfüllt”, “teilweise erfüllt” oder “erfüllt” zu beantworten. Vor Beginn des CorrelAid-Projektes wurden die Antworten weder systematisch gespeichert noch weitergehend analysiert, da es keine Möglichkeit gab, auf die Antworten der Teilnehmenden zuzugreifen, vor allem nicht in anonymisierter Form. Darüber hinaus bestand kein koordinierter (und anonymisierter) Weg, den Organisationen nach Ausfüllen des Fragebogens Feedback in Form von Empfehlungen zu den einzelnen Schutzmaßnahmen zukommen zu lassen.
Die nun interaktive Web-App erlaubt neben der vereinfachten Nutzung des Tests und den automatisierten, auf die Antworten abgestimmten Empfehlungen auch das (anonyme) Erheben der Daten. Dabei werden Daten zur Organisationsform, zur Größe der Organisation und zum Alter der Teilnehmenden anonym in einer Google-Tabelle gespeichert sowie die codierten Antworten auf die Einzelfragen der Selbsteinschätzung. Die ausfüllende Organisation erhält eine PDF ihrer Antworten zum Herunterladen. Mit dem Herunterladen stimmt die Organisation zu, dass die generierten Daten bei Laureus gespeichert werden. Eine Nutzung des Tools ist auch ohne das Herunterladen/die Weiterleitung der Daten online möglich.
Die generierten Daten geben einen Überblick darüber, wie weit Organisationen in ihrer Entwicklung von Kinderschutz-Maßnahmen sind und in welchen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht. Daraus kann Laureus Sport for Good einerseits ableiten, welche Angebote die Stiftung entwickeln muss, um Organisationen in dem Bereich weiter zu unterstützen, und andererseits das Thema Prävention von (sexueller) Gewalt/Kinderschutz weiter in die Öffentlichkeit tragen und die Lücken aufzeigen.
Der Ansatz
Laureus und das Projekt-Team von CorrelAid haben gemeinsam das Konzept einer interaktiven und reaktiven Web App entwickelt, die den alten PDF-Fragebogen ersetzen und darüber hinausgehende Funktionalitäten aufweisen sollte. Basierend auf dem bestehenden Data-Maturity Evaluationstools Elmo von CorrelAid, wurde daraufhin mit laufendem inhaltlichen Input von Seiten von Laureus im Projekt-Team ein Konzept einer Web App mit diesen Funktionalitäten entwickelt und dieses hauptsächlich mithilfe des R Shiny Packages in der Programmiersprache R geschrieben.
Die Web App erfasst, wie schon der PDF-Fragebogen zuvor, Antworten zu Fragen des Kinderschutzes in Organisationen, gebündelt in acht Schutzmaßnahmen und mit jeweils drei Antwortkategorien “noch nicht erfüllt”, “teilweise erfüllt” und “erfüllt”. Diese drei Antwortkategorien sind zu Beginn des Fragebogens in einer Legende mit Ampelsystem aufgeführt, welches eine flüssige und intuitive Beantwortung der Fragen ermöglicht. Die Art der visuellen Repräsentation der Legende trägt zudem zur Barrierefreiheit des Fragebogens bei, da die einzelnen Antwortkategorien in der Legende auch für Personen mit beispielsweise Rot-Grün-Schwäche erkennbar sind. Die Ergebnisse einzelner Antworten sind dank der Implementierung in der Web App nun konstant während des Antwortens parallel einsehbar, mitsamt laufend aktualisierten Ergebnisstatistiken der Schutzmaßnahmenbereiche, wie Mittelwerten und Medianen sowie einer sich laufend aktualisierenden reaktiven Ergebnisgrafik.
Über die zuvor bereits vorhandenen Fragen hinausgehend bietet die Web App Laureus nun die Möglichkeit, allgemeine Fragen zu Organisationsdaten zu stellen, um diese in potenzielle Analysen einfließen lassen zu können. Durch allgemeine Formulierungen und die Vermeidung von Freitext-Feldern bleibt die Anonymität der Befragten immer gewahrt. Zudem speichert die Web App zu keinem Zeitpunkt technische Daten wie die IP-Adresse oder die Browser-Konfiguration der Befragten, sodass auch über diesen Weg Rückschlüsse auf ihre Identität ausgeschlossen sind.
Im Kontrast zum alten Fragebogen-Konzept geschehen bei Abschluss eines Online-Fragebogens in der Web App nun umgehend zweierlei Dinge: Einerseits bekommen die Befragten unmittelbares Feedback in Form eines herunterladbaren PDF, das basierend auf den gerade zuvor gegebenen Antworten Empfehlungen zu den einzelnen Schutzmaßnahmen bereitstellt. Andererseits werden die Antworten zu Organisationsdaten und Schutzmaßnahmen parallel automatisch in einer privaten nur Laureus zugänglichen Google Sheets Datei abgespeichert. Potenzielle DSGVO-bezogene Probleme bezüglich der Speicherung persönlichkeitsbezogener Daten mittels eines Google-Dienstes mit Server-Standorten außerhalb der EU sind nicht gegeben, da von vornherein keine persönlichkeitsbezogenen Daten der Befragten erfasst wurden. Der größte Vorteil dieser von CorrelAid für Laureus konzipierten Web App im Vergleich zum vorigen analogen Fragebogen liegt somit darin, dass sämtliche Antworten in digitaler Form gespeichert werden und ohne großen Aufwand für weitergehende Auswertungen und Analysen bereitstehen.
Die Wirkung
Die interaktive Web App bietet den Nutzer*innen die Verbesserung gegenüber dem statischen PDF-Dokument, die Ergebnisse direkt ausgewertet und visuell ansprechend zu erhalten. Für Nutzer*innen bedeutet dies einen niederschwelligen Zugang und signifikante Zeiteinsparungen. Durch die einfache Bedienbarkeit steigt auch die Reichweite des Tests. Aus Sicht von Laureus ist die Möglichkeit zur zentralen Auswertung der Testergebnisse vorteilhaft. Ein Erkenntnisgewinn ist aktuell noch nicht einschätzbar, da die App die benötigten Daten erst generiert.
Um Laureus die nachhaltige codeseitige Nutzbarkeit der App zu erleichtern, wurde der Code kommentiert und bestimmte kritische Aspekte (renv-Package, lokales Aufsetzen der App, Deployment auf shinyapps.io) in der GitHub ReadMe erklärt. Darüber hinaus wurde der Code in einem Erklärvideo detailliert erläutert.